Schau ich mir die Bilder des Dettinger Künstlers Stefan Bischoff an, die er seit geraumer Zeit mittelst einer besonderen Verfahrenstechnik hervorbringt, bin ich auf eine kaum zu beschreibende Weise fasziniert, ja in einer Art im Innern angerührt, die ans Unheimliche fast grenzt. Es eignet ihnen eine Dynamik, die ihnen ein regelrechtes Eigenleben verleiht. Da ist, in zum Teil ganz verschiedenen Proportionen, ein Wabern und Glosen in den Bildern, ein Brodeln und Strudeln und Wallen, als wohnte ich, während ich sie betrachte, einer parallelen Neuschöpfung der Welt aus einem siedend-wogenden Plasma bei.
Diese Bilder sind schön; schön aber nicht einfach im Sinne der Gebrauchskunst, die man zur Aufhübschung der eigenen vier Wände an dieselben sich hängt, sondern schön im kunstästhetischen Sinne: Sie laden mich dazu ein, ja drängen mich dazu, mich in sie zu vertiefen, mich in ihren Bann ziehen zu lassen, ihnen meine Seele zu überantworten, auf daß ich etwas von den Bildern in mir selbst und etwas von mir selbst wiederum in den Bildern entdeckte.
Als wären die Objekte womöglich nichts als eine zarte Illusion: so muten die Bilder mich an, in denen das Dargestellte nicht die geringsten Anstalten zu machen scheint, aus seinem unscharfen, in stetem Flusse sich befindenden Zustand ins Feste sich zu wandeln. Und das Unheimliche besteht für mich wohlzwar in einigen der Bilder auch im Motiv, im Spiel der Formen und Farben und in der daraus resultierenden Stimmung, viel prinzipieller jedoch darin, daß nichts darin sich kristallisieren will, daß alles droht, im nächsten Moment in die brodelnde Ursuppe zurückzusinken. Ich werde mit meiner eigenen, mich ab und an befallenden Angst konfrontiert, daß all meine Wahrnehmung, ja mein ganzes Dasein eine bloße Illusion nur sei.
Illusion ist auch der Stoff der Kunst, und ist der rechte Künstler nicht immer auch ein Illusionist, ein Zauberer mithin in des Wortes bestem Sinne? Und Stefan versteht es meisterhaft, den Betrachter seiner Bilder zu verzaubern ... zu verzaubern und auch, wie etwa in San Giorgio dei Greci 2 oder in Canal Grande, - ob es nun in seiner Absicht gestanden habe oder nicht - an die Vergänglichkeit alles Schönen zu erinnern. Für mich arbeiten Stefans Bilder produktiv an dem Widerspruch sich ab, in sich festzuhalten, was nicht festzuhalten ist: Sie legen den Gedanken nahe, daß es nichts (endgültig) festzuhalten gebe, es sei denn um den Preis seiner partiellen oder gänzlichen Zerstörung - womit der Widerspruch nicht gelöst, wohl aber, wie bei einem echten Rätsel, aufgelöst wäre - wenn natürlich auch nur virtuell, durch Bilder eben, die just diesen Widerspruch auflösen und doch auch weiterhin verkörpern.
Mit der Eigendynamik dieser Bilder in ihrem Ausdruck korrespondiert zugleich eine Eigendynamik in ihrem besonderen, übrigens rein handwerklichen Herstellungsverfahren, worin die Entwicklung des jeweiligen Werkes, eben durch dieses besondere Verfahren bedingt, phasenweise der Wahrnehmung und dem kontrollierten, exakt abpassenden Zugriff des Künstlers notwendig sich entzieht und ihn im Resultat selbst noch überrascht: Was Stefan schließlich vor den Augen sich präsentiert, ahnt er nach eigener Aussage manchmal selbst nicht recht. Ähnlich wie die Figuren eines Romanes, seien sie anfangs auch noch so sehr vom Autor festgelegt, im Zuge der Handlung teilweise sich von ihrem Schöpfer emanzipieren, so revoltieren die Objekte in Stefans Bildern gegen den Künstler - und sind gerade darin seine (ungewollt-gewollten) Geschöpfe.
Und nun betrachte ich ein weiteres Mal den Canal Grande, sitze davor und denke: “Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!” (Faust zu Mephistopheles)
(Berthold Thiel)
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